ATP-Top-20-Spieler in großen Turnieren
In der ATP-Tour gibt es vier Turnierklassen. Von oben nach unten sind dies die Grand Slam-Turniere, die ATP Masters 1000, die Turniere der World Tour 500 und die der World Tour 250. Es kann vorkommen, dass sich unter den Teilnehmern eines ATP-250-Turniers kein einziger Top-20-Spieler befindet. Somit ist es nicht unwahrscheinlich, dass der Gewinner dieses Turniers keinen Top-20-Spieler besiegen muss, um sich die jeweilige Trophäe zu holen.
Bei Grand-Slam- und Masters-Turnieren sieht es dann schon anders aus. In den fünf Grand-Slam- und den neun Masters-1000-Turnieren, die seit Anfang 2018 stattgefunden haben, musste der Gewinner nur in drei von 14 Turnieren nicht mehr als einen Gegner aus den Top 20 schlagen.
Wenn wir auf die fünf Grand-Slam-Turniere seit Anfang 2018 schauen, musste ein ATP-Spieler im Durchschnitt 2,40 Top-20-Gegner schlagen, um den Titel zu gewinnen.
Bei sieben der 14 Turniere (50 %) schlug der spätere Sieger drei Gegner aus den Top 20, und in Paris hatte am Ende der Saison der junge Russe Karen Khachanov wohl die schwerste Aufgabe, da er vier Top-20-Gegner hinter sich lassen musste, um den ersten Masters-Titel seiner Karriere zu erringen.
Wenn wir auf die fünf Grand-Slam-Turniere seit Anfang 2018 schauen, musste ein ATP-Spieler im Durchschnitt 2,40 Top-20-Gegner schlagen, um den Titel zu gewinnen. Bei den Masters-Turnieren im selben Zeitraum war dieser Wert mit 2,44 praktisch gleich. Da es also unwahrscheinlich ist, dass ein Spieler nur einen Gegner aus den Top 20 besiegen muss, um einen größeren Titel zu gewinnen, und selbst zwei Siege gegen solche Spitzenleute unter dem Durchschnittswert liegen, ist es umgekehrt unmittelbar verständlich, dass im Normalfall einige Top-20-Spieler besiegt werden müssen, um ein Turnier für sich zu entscheiden.
Diesen Ausgangspunkt zu versehen kann sehr nützlich sein, da er uns erlaubt, die besten Spieler der Tour danach zu beurteilen, ob eine hohe oder niedrige Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie dazu fähig sind.
Ein genauer Blick auf Novak Djokovic und Rafa Nadal
Zunächst lohnt es sich wohl, die beiden zweifellos besten männlichen Spieler der aktuellen Tour zu betrachten, Novak Djokovic und Rafael Nadal. Wie die Tabelle weiter unten in diesem Artikel zeigt, nehmen diese beiden Spieler eine Spitzenstellung ein, wenn es um kombinierte Prozentwerte für gewonnene Aufschlagspiele/Breaks geht – ein zuverlässiger Indikator für die Qualität eines Spielers.
Tatsächlich – vielleicht aufgrund mehrerer deutlicher Siege auf seinem favorisierten Untergrund Sand – zeigt Nadal bessere kombinierte Ergebnisse als Djokovic, da er in den letzten Monaten 123,6 % gegenüber den 119 % von Djokovic erreicht hat. Beides sind Weltklasse-Werte.
Wenn wir die Betrachtung allerdings nur auf Spiele gegen Top-20-Gegner beschränken, liegt der Vorteil bei Djokovic. Unter diesem Aspekt sinkt sein kombinierter Wert für Aufschläge/Breaks auf 113,2 %, aber der Serbe verliert nicht so viele Prozentpunkte wie sein spanischer Rivale, der in den letzten 12 Monaten gegen Top-20-Spieler einen Wert von 112,6 % erreicht hat. Effektiv ist Djokovics Wert um 5,8 % (119,0 % - 113,2 %) gesunken, der von Nadal sogar um 11,0 % (123,6 % - 112,6 %).
Ist Nadal also vor allem gegen schwache Gegner stark? Angesichts der Tatsache, dass seine Daten auch gegen Top-20-Spieler exzellent sind, wäre dies eine unangebrachte Schlussfolgerung, aber wie schon erwähnt sehen die Daten des Sandplatz-Spezialisten durch seine Fähigkeit, schwächere Gegner klar zu dominieren, etwas geschönt aus.
Spieler
|
Aufschläge in 12 Monaten in % (gegen alle Gegner)
|
Breaks in 12 Monaten in % (gegen alle Gegner)
|
Kombiniert in 12 Monaten in % (gegen alle Gegner)
|
Aufschläge in 12 Monaten in % (gegen Top-20-Gegner)
|
Breaks in 12 Monaten in % (gegen Top-20-Gegner)
|
Kombiniert in 12 Monaten in % (gegen Top-20-Gegner)
|
Differenz für Kombiniert zwischen „Alle Gegner“ und „Top 20“ in %
|
|
|
|
|
|
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|
|
Djokovic
|
87,9
|
31,1
|
119,0
|
88,2
|
25,1
|
113,2
|
5,8
|
Nadal
|
87,4
|
36,2
|
123,6
|
82,5
|
30,1
|
112,6
|
11,0
|
A. Zverev
|
82,4
|
28,2
|
110,6
|
80,3
|
18,0
|
98,2
|
12,4
|
Del Potro
|
87,9
|
25,9
|
113,8
|
86,4
|
16,0
|
102,5
|
11,3
|
Anderson
|
89,4
|
16,0
|
105,4
|
84,4
|
12,7
|
97,1
|
8,3
|
Nishikori
|
82,1
|
25,0
|
107,1
|
74,8
|
21,1
|
95,9
|
11,2
|
Federer
|
91,2
|
22,4
|
113,6
|
89,4
|
13,0
|
102,4
|
11,2
|
Thiem
|
83,9
|
24,5
|
108,4
|
77,1
|
22,6
|
99,7
|
8,7
|
Isner
|
94,5
|
9,7
|
104,2
|
89,1
|
4,3
|
93,4
|
10,8
|
Cilic
|
86,8
|
21,9
|
108,7
|
84,4
|
20,7
|
105,0
|
3,7
|
Khachanov
|
86,9
|
20,0
|
106,9
|
81,2
|
16,9
|
98,1
|
8,8
|
Tsitsipas
|
85,5
|
16,0
|
101,5
|
76,8
|
15,0
|
91,9
|
9,6
|
Coric
|
85,2
|
25,7
|
110,9
|
81,1
|
19,4
|
100,5
|
10,4
|
Raonic
|
91,7
|
15,6
|
107,3
|
88,0
|
11,4
|
99,4
|
7,9
|
Medvedev
|
81,8
|
25,2
|
107,0
|
78,3
|
15,5
|
93,8
|
13,2
|
Fognini
|
75,6
|
28,8
|
104,4
|
70,6
|
18,3
|
89,0
|
15,4
|
Cecchinato
|
79,0
|
19,9
|
98,9
|
75,3
|
27,4
|
102,6
|
-3,7
|
Bautista-Agut
|
82,8
|
25,2
|
108,0
|
76,0
|
19,2
|
95,2
|
12,8
|
Schwartzman
|
73,8
|
30,7
|
104,5
|
60,4
|
24,3
|
84,7
|
19,8
|
Basilashvili
|
75,9
|
20,8
|
96,7
|
81,6
|
14,9
|
96,5
|
0,2
|
Die Tabelle oben zeigt die Aufschlag/Break-Rekorde von ATP-Spielern gegen alle Gegner in den letzten 12 Monaten (Stand: 21. Februar 2019) im Vergleich mit ihren Aufschlag/Break-Rekorden gegen Top-20-Spieler im selben Zeitraum.
Es wird sofort deutlich, dass nur ein Spieler es schaffte, gegen Gegner aus den Top 20 besser abzuschneiden als in der Wertung gegen alle Gegner: Marco Cecchinato.
Hier gibt uns der italienische Sandplatz-Spezialist ein Rätsel auf, denn es lässt sich nicht genau sagen, warum er gegen die Top-20-Spieler deutlich bessere Ergebnisse erreichte (27,4 % Break-Gewinne gegen die Spitzenspieler gegenüber 19,9 % gegen alle Gegner). Angesichts der Tatsache, dass die Datenmenge aus Spielen gegen Top-20-Spieler ein wenig kleiner war als bei den meisten anderen Spielern auf der Liste, ist die Varianz eine mögliche Erklärung, obwohl es mutig wäre, dem Italiener seine Eignung für die große Bühne abzusprechen.
Ein anderer Spieler, der gegen Gegner aus den Top 20 gut abschnitt, war Nikoloz Basilashvili, dessen kombinierte Daten aus Spielen gegen die Top 20 fast identisch zu denen aus Spielen gegen alle Gegner warten, obwohl er seinen Stil gegen Top-20-Spieler in ein eher aufschlagsorientiertes Spiel änderte.
Dieser aufschlagsorientierte Stil war auch bei vielen anderen der aktuellen ATP-Top 20 zu beobachten, wenn sie gegen Rivalen aus den Top 20 spielten. 12 der aktuellen Top 20 waren in der Lage, über 80 % ihrer Aufschläge Top-20-Gegner durchzubringen (allen außer vier Spielern gelang dies immer), aber nur sieben (von insgesamt 15) gewannen mehr als 20 % der Breaks gegen Top-20-Spieler. Nur drei – Cecchinato, Djokovic und Nadal – schafften dies in mehr als einem Viertel der Return-Spiele.
Nur sieben Spieler waren in der Lage, die 100-Prozent-Marke für kombinierte Aufschläge/Breaks in ihren Spielen gegen die Top 20 zu durchbrechen – neben den schon erwähnten Djokovic, Nadal und Cecchinato außerdem noch Juan Martin del Potro, Roger Federer, Marin Cilic und Borna Coric. Ihre Zahlen liegen allerdings nicht einmal in der Nähe derjenigen von Djokovic und Nadal, und es ist schwer zu erklären, warum sie oft zum Ende großer Turniere hin schwächer werden.
Spieler, die gegen die ATP-Top 20 schwach spielen
Allerdings versinken ihre Kämpfe in der Bedeutungslosigkeit, wenn wir auf Spieler wie Kei Nishikori, John Isner, Stefanos Tsitsipas, Fabio Fognini und Diego Schwartzman schauen. Nishikoris Aufschlag ist gegen die Besten exponiert, während der von Schwartzman auseinandergerissen ist. Isner konnte in den letzten 12 Monaten nur 4,3 % seiner Break-Spiele gegen Gegner aus den Top 20 gewinnen, und Tsitsipas und Fognini haben eher schwache Werte bei den Aufschlägen erreicht.
Es ist wichtig zu verstehen, ob ein Spieler in der Lage ist, in den letzten Spielen eines Turniers noch einmal zuzulegen. Diese Daten erklären bis zu einem gewissen Grad, warum Spieler wie z. B. Nishikori, Isner, Raonic und Bautista-Agut trotz ihrer soliden Gesamtdaten und ihrer dauerhaften Stellung innerhalb oder in der Nähe der Top 10 in Grand-Slam-Turnieren oft enttäuscht haben.
Wenn wir bei großen Turnieren auf Siegwetten schauen, lohnt es sich, im Kopf zu haben, ob ein Spieler gegen die besten Spieler der Tour ernsthafte Chancen hat oder nicht.