Nachdem Joseph Buchdahl bereits das Verhalten der Buchmacher in Point-Spread-Märkten untersucht hat, wirft er nun einen genaueren Blick auf den Gesamtpunktzahlmarkt der NBA. Im Folgenden können Sie mehr darüber erfahren, ob es in bestimmten NBA-Wettmärkten eine Voreingenommenheit gibt, von der Buchmacher profitieren.
Letzten Monat habe ich in einem zweiteiligen Artikel untersucht, warum Buchmacher mitunter dazu tendieren, einen Point-Spread-Markt zu verzerren, der von der optimalen Effizienz abweicht. Buchmachern geht es darum, Profit zu erzielen. Warum sollten sie also nicht die Chance ergreifen, diesen zu erhöhen, auch wenn sie dabei von ihrem veröffentlichten Overround abweichen?
Wenn Wettende übermäßig auf eine Seite eines Marktes wetten, können Buchmacher ihre Rendite erhöhen, indem sie das Handicap auf die von den Wettenden vernachlässigte Seite hin verzerren – vorausgesetzt, die Wettenden erkennen dies nicht. Dieser Gedanke wird noch interessanter, wenn man vorherige wissenschaftliche Untersuchungen hinzuzieht, die aufzeigen, dass Wettende offensichtlich dazu tendieren, Über-Wetten auf Point-Spread-Favoriten zu platzieren.
Bei der Überprüfung der These anhand eines historischen NBA-Datensatzes konnte ich feststellen, dass die Spreads der größten Handicap-Favoriten tatsächlich in weniger als 50 % der Zeit abgedeckt werden. Wenn Wettende Über-Wetten auf diese Spreads platzieren, kann der Buchmacher seine Renditen definitiv erhöhen. Im Allgemeinen jedoch zeigten sich insgesamt keine Unterschiede in der Performance von Favoriten und Underdogs.
Wie steht es mit dem Markt für Gesamtpunktzahlwetten? Pinnacle veröffentlicht auf Twitter für viele seiner Märkte die BetShare-Werte, also den Prozentsatz an Kunden, die entweder auf die eine oder die andere Seite wetten. Bei der Analyse dieser Werte fiel mir auf, dass bei jeder Sportart, sei es NHL, NBA, MLB, NFL, Fußball oder Tennis, der Anteil der Über-Wetten immer größer war als der Anteil der Unter-Wetten.
Beim Vergleich von 334 Spielen betrug der durchschnittliche BetShare für Über-Wetten 62 %. Wenn sich auch nicht sicher sagen lässt, dass diese Asymmetrie zu einem höheren Wettvolumen führt, ergibt sich für Buchmacher aber auf jeden Fall ein möglicher Profitanreiz, um einen Gesamtpunktzahl-Markt auf dieselbe Weise zu verzerren wie einen Point-Spread-Markt. In diesem Artikel werde ich diese These anhand desselben NBA-Datensatzes wie im letzten Monat untersuchen.
Warum tendieren Wettende zu Über-Wetten?
Warum tendieren Wettende bei der Gesamtzahl der erzielten Punkte oder Tore möglicherweise zu Über-Wetten? Eine mögliche Erklärung ist eine Aversion gegen das Verlieren, sodass Menschen eher Verluste vermeiden als Gewinne zu sichern.
Beachten Sie nun das Wesen von Über/Unter-Wetten: Es liegt in der Natur der Sache, dass Unter-Wetten zu Beginn eines Spiels automatisch ein Gewinner sind, was so bleibt bis zu dem Zeitpunkt, wenn genug Punkte bzw. Tore erzielt wurden und sie sich in einen Verlierer verwandeln. Im Gegensatz dazu starten Über-Wetten als Verlierer bis zu dem Zeitpunkt, wenn genug Punkte bzw. Tore erzielt wurden, damit sie sich in einen Gewinner verwandeln.
Wenn Wettende in diesem Kontext zu einer Verlustaversion tendieren, wäre es denkbar, dass sie eher die Möglichkeit bevorzugen, dass sich ein Verlierer in einen Gewinner umwandelt als umgekehrt.
Psychologen haben dargelegt, dass der Verlustschmerz doppelt so stark empfunden wird wie die Freude über einen Gewinn. Wenn dem so ist, können wir aus gutem Grund erwarten, dass doppelt so viele Wettende eher auf Über-Wetten (Verlierer wird zum Gewinner) als auf Unter-Wetten (Gewinner wird zum Verlierer) setzen. Die beobachteten BetShare-Prozente würden dann auch Sinn ergeben.
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Hier registrierenHier anmeldenNutzen Buchmacher verzerrte Wettanteile bei NBA-Gesamtpunktzahlwetten aus?
Innerhalb meiner Stichprobe von 334 BetShare-Werten zeigen die Werte für NBA-Spiele ein Verhältnis von 64 % zu 36 % zugunsten von Über-Wetten. Wenn sich dieses Verhältnis auch bei den Einsätzen zeigt, dann würde eine Verzerrung des Marktes um nur 1 % (Über/Unter-Verhältnis von 49 % zu 51 %) die Rendite einer theoretischen Gewinnmarge von 2,5 % auf 3,0 % erhöhen und bei einer Verzerrung um 2 % auf 3,6 %. Gibt es Belege dafür?
Beim Blick auf dieselbe Stichprobe mit 15.508 Spielen aus 12 NBA-Spielzeiten, die ich auch bei meiner Point-Spread-Verzerrungsanalyse verwendet habe, endeten 7.553 Spiele (oder 48,7 % aller Spiele) mit einer Punktzahl über der Abschlussquote, während 7.750 (oder 50,0 %) der Spiele mit einer Punktzahl unter der Abschlussquote endeten. Bei 205 Spielen (1,3 %) wurde die Quote exakt getroffen.
Lässt man die 205 Spiele mit exakt der Schlussquote des Buchmachers unberücksichtigt, zeigt sich eine Verzerrung von 49,4 % zu 50,6 % in Richtung unserer ursprünglich aufgestellten Hypothese.
Das Ergebnis ist statistisch jedoch nicht signifikant, denn der Chi-Quadrat-Test liefert einen p-Wert von 0,11 (oder 11 %), was bedeutet, dass in 11 % der Fälle das Ergebnis rein zufällig sein könnte, also die Buchmacher ihren NBA-Gesamtpunktzahlmarkt nicht absichtlich Richtung Über-Wetten verzerrt haben. Der p-Wert sollte höchstens 0,05 oder besser 0,01 oder gar 0,001 sein, bevor wir hinreichend ausschließen können, dass nur Zufall im Spiel ist.
Das bedeutet jedoch nicht, dass Buchmacher ihren NBA-Gesamtpunktzahlmarkt nicht doch verzerren. Sollte sich eine solche Verteilung auch in einer viel größeren Stichprobe zeigen, wird möglicherweise doch eine statistische Signifikanz erreicht. Dennoch können wir allein aus diesen Daten nicht ableiten, dass ein auf diese Weise verzerrter Markt tatsächlich existiert.
Sind bestimmte Gesamtpunktzahlen mehr verzerrt als andere?
Wie auch bei Point-Spreads sollte man das Ganze an dieser Stelle aber noch nicht ad acta legen. Vielleicht gibt es ja Verzerrungen bei der Gesamtpunktzahl, die deutlich signifikanter sind. Vielleicht bevorzugen Wettende ja überproportional Über-Wetten auf Spiele mit höherer Gesamtpunktzahl. Werfen wir also einen Blick darauf.
Das Diagramm unten zeigt den kumulierten Prozentsatz der gewonnenen Über- und Unterwetten von Spielen in absteigender Reihenfolge der veröffentlichen Schlussquoten für die Gesamtpunktzahl. Ignorieren wir mal die Abweichungen in den kleinen Stichproben zu Beginn, dann zeigen sich bei Spielen mit überdurchschnittlicher Abschlussquote (203 Punkte) proportional weniger Gewinner bei Über-Wetten als bei Spielen mit unterdurchschnittlichen Abschlussquoten.
Von den 7.530 Spielen mit Abschlussquoten über 203 waren 48,8 % Gewinner (und 51,2 % Verlierer), ausgenommen die 205 Spiele, bei denen die Gesamtpunktzahlen exakt der Abschlussquote entsprechen. Diese Abweichung von der 50:50-Erwartung zeigt eine leichte statistische Signifikanz (Chi-Quadrat-Test, p-Wert = 0,04). Im Gegensatz dazu liegt das Verhältnis bei Spielen mit Abschlussquoten von 203 oder darunter bei 49,9 % zu 50,1 %.
Offensichtlich kann man aus dem Diagramm nicht unbedingt ableiten, dass je größer die Gesamtpunktzahlquote ist, auch die Wahrscheinlichkeit zunimmt, dass ein Buchmacher Über-Wetten verzerrt. Blickt man auf die höchsten Gesamtpunktzahlquoten von über 225 Punkten zeigt sich beispielsweise, dass Über-Wetten in über 50 % der Fälle gewinnen. Dies könnte aber auch an der geringen Stichprobenvarianz liegen. Es könnte aber auch ein Hinweis auf eine viel kompliziertere Struktur sein als die einfache These, dass je größere die Über-Wette desto verzerrter die Quote.
Wie bei den Point-Spreads können wir die statistische Signifikanz an jedem Punkt des Diagramms testen. Unten sind die entsprechenden p-Werte aus dem Chi-Quadrat-Test aufgeführt.
Ja, es gibt Stellen im Verlauf, an denen die Wahrscheinlichkeit einer zufälligen Abweichung von der 50:50-Erwartung gering ist (<1 %). Allerdings muss bezweifelt werden, ob irgendeine davon wirklich von Bedeutung ist, wenn wir die Bonferroni-Korrektur anwenden, um die Vielzahl der Möglichkeiten für das Auffinden irgendeiner statistischen Signifikanz zu berücksichtigen.
Nutzen Buchmacher eine Voreingenommenheit bei Gesamtpunktzahlwetten aus?
Eine potenziell signifikante Falle dieser Analyse (wie auch der Point-Spread-Analyse aus dem letzten Monat) besteht darin, dass die Quotendaten von vielen unterschiedlichen Buchmachern stammen und nicht nur von einem einzigen.
Es ist möglich, wenn auch hier nicht zu beweisen, dass die Buchmacher, deren Daten in den Datensatz aufgenommen wurden, hinsichtlich der NBA-Quoten auf leicht unterschiedliche Weise agieren. Wenn sich ihr Verhalten gegenseitig widerspricht, dann liefert die gemeinsame Analyse ihrer Daten insgesamt eine fehlerhafte Aussage.
Wie bei Point-Spreads ist es sicher eine verlockende Idee, dass Buchmacher einige ihrer Gesamtpunktzahlen in einem NBA-Wettmarkt manipulieren, um unerfahrene Wettende auszunutzen und so ihre Gewinne gegenüber den veröffentlichten Gewinnmargen noch einmal steigern. Jedoch kann unsere Analyse dies weder zweifelsfrei belegen noch völlig ausschließen. Egal ob tatsächlich oder nur hypothetisch, aus Sicht der Wettenden reicht die Größe der Verzerrung kaum aus, um die durchschnittliche Gewinnspanne der Buchmacher abzudecken.
Auch wenn es gezielte Verzerrungen gibt, würden diese insgesamt nur geringe Auswirkungen haben, und im Durchschnitt liegen zumindest die NBA-Gesamtpunktzahlquoten nahe der Markteffizienz.