Wir schreiben den 27. Januar 2017. Bei den Australian Open steht das Halbfinale der Männer an. Grigor Dimitrov fordert Rafael Nadal im Kampf um den Platz im Finale gegen Roger Federer heraus.
Tennismedien, Tennisfans und Tenniswettende sind sich einig in dem Hype, dass der fast 26-jährige Dimitrov nun endlich seinem Ruf als „Baby-Federer“ gerecht wird und den Sprung in die Tenniselite schafft.
Breakpunkt-Überperformance
Allerdings sprechen die Zahlen eine andere Sprache. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte Dimitrov 2017 10 aufeinanderfolgende Siege in 10 Matches mit einer Überperformance von 9,7 % über der Erwartung bezüglich der Sicherung von Breakpunkten bei eigenem Aufschlag (auf Basis der Erwartung von gewonnenen Servicepunkten) und von 3,4 % über der Erwartung bezüglich der Verarbeitung von Breakpunkten im Return (auf Basis der Erwartung von gewonnenen Returnpunkten) verbuchen.
Solche Werte über längere Zeit aufrechtzuerhalten, ist nahezu unmöglich. Daher war es so gut wie sicher, dass Dimitrov letztlich wieder zu seinem Mittelwert zurückkehren würde. Auch wenn Nadal an diesem Tag in fünf Sätzen gewann, holte sich Dimitrov bei seinem nächsten Turnier in Sofia den Titel mit nur einem verlorenen Satz im gesamten Turnierverlauf.
Solche Werte über längere Zeit aufrechtzuerhalten, ist nahezu unmöglich. Daher war es so gut wie sicher, dass Dimitrov letztlich wieder zu seinem Mittelwert zurückkehren würde.
Der Hype hielt an. Was kein Wunder war angesichts seiner Quoten bei allen vier Matches in Bulgarien, die bei 1,41 oder niedriger lagen. Die Frage ist also, wie kann man Vorteile des Handicap-Wettens im Tennis nutzen, wenn ein Spieler ein solch haushoher Favorit ist.
Nach Sofia gewann Dimitrov bis zu den French Open nur noch fünf von 12 Matches, zu denen auch fünf Niederlagen als Favorit zählten, bei denen er mit einer Quote von 1,50 oder niedriger angetreten war. Daraufhin beruhigte sich der Hype. Wie erwartet trat das Mean Reversion ein, und Dimitrov fand sich dort wieder, wo er schon am Ende der Saison 2016 lag: nicht gut genug für die Top 10, aber immer noch ein solider Top-20-Spieler.
Varianz statt „Form“
Solche Schwankungen werden immer wieder mit „Form“ umschrieben, sollten aber genau genommen als Varianz bezeichnet werden. Es ist in der Tat für einen Spieler sehr schwierig, die Breakpunkt-Überperformance bei Service und Return über viele Saisons hinweg aufrechtzuerhalten – wenn Sie wissen, wie beim Tennis gewettet wird, werden Sie verstehen, wie wichtig Breakpunkte sind.
Vor diesem Hintergrund sollte analysiert werden, ob der Markt Spieler überschätzt, die eine Überperformance bei Breakpunkten aufweisen, so wie Dimitrov im erwähnten Spiel bei den Australian Open.
Zuerst lohnt sich ein Blick auf die aufschlagstarken Spieler der ATP-Tour, um herauszufinden, ob diese mehr Breakpunkte gesichert haben als erwartet. Mit einer einfachen Messgröße (gewonnene Aufschläge in % – Break des Gegners in %) können wir berechnen, welche Spieler der Top 100 zu den aufschlagstärksten Performern gehören.
Für dieses Beispiel wurden die Daten aller Top-100-Spieler vom Saisonende 2016 verwendet (zur Aufnahme in die Stichprobe musste ein Spieler 2016 mindestens zehn Main-Tour-Matches gespielt haben).
Top 10 der aufschlagstärksten Spieler:
Spieler
|
Ranglistenplatz Ende 2016
|
Gew. Aufschl. in % 2016
|
Breaks in % 2016
|
Differenz Gew. Aufschlag/Break in % 2016
|
Karlovic
|
20
|
92,9
|
7.3
|
85,6
|
Isner
|
19
|
93.4
|
10.4
|
83,0
|
Muller
|
34
|
88.7
|
13.0
|
75.7
|
Raonic
|
3
|
90,5
|
18,3
|
72.2
|
Johnson
|
33
|
85,1
|
13.3
|
71.8
|
Zeballos
|
71
|
81,4
|
11.0
|
70.4
|
Querrey
|
31
|
85,6
|
15.6
|
70,0
|
Kyrgios
|
13
|
88.7
|
19,6
|
69,1
|
Cuevas
|
22
|
85,5
|
17.9
|
67,6
|
Tsonga
|
12
|
87,7
|
20,4
|
67.3
|
Für alle, die sich ein wenig in der Tenniswelt auskennen, sind die meisten Namen in dieser Liste keine Überraschung: Sowohl Ivo Karlovic als auch John Isner gelten als die mit Abstand aufschlagstärksten Spieler auf der ATP-Tour.
Mit solch hohen Werten für gewonnene Aufschläge und abgeleitet von der hohen Anzahl gewonnener Servicepunkte ist es offensichtlich, dass diese Spieler auch einen hohen Prozentwert bei gesicherten Breakpunkten aufweisen. Wie die nächste Tabelle zeigt, sind diese Spieler besser in der Lage, Breakpunkte zu sichern, als der ATP-Durchschnitt, der in der Saison 2016 für Hauptrundenspiele bei einem Wert von 60,7 % lag:
Breakpunkt-Performance 2016
Spieler
|
Gesicherte Breakpunkte in % 2016
|
Gesamte BP-Über-/Unterperformance in % 2016
|
Karlovic
|
72,7
|
4.3
|
Isner
|
69,3
|
-2.9
|
Muller
|
65.0
|
-3.1
|
Raonic
|
69.4
|
-2,3
|
Johnson
|
64,4
|
-2.7
|
Zeballos
|
64,8
|
9.3
|
Querrey
|
64,9
|
-0.1
|
Kyrgios
|
69.4
|
2.4
|
Cuevas
|
65,2
|
0,9
|
Tsonga
|
67,4
|
-0,6
|
Der durchschnittliche ATP-Spieler sichert in Hauptrunden-Matches 2,8 % weniger Breakpunkt-Chancen bei eigenem Aufschlag, als er Aufschlagpunkte gewinnt, während er in Returns 2,8 % mehr Breakpunkt-Chancen umwandelt, als er Returnpunkte gewinnt. Wir können diese Zahlen verwenden, um die Breakpunkt-Über-/Unterperformance zu beschreiben.
Unter Einbeziehung dieser Werte wiesen sechs Spieler aus der Top Ten der aufschlagstärksten Spieler bei Breakpunkten eine Unterperformance auf, mit Gilles Muller als den größten „Schuldner“ in Sachen Schlüsselpunkte und Horacio Zeballos als den mit Abstand größten Überperformer. Die Daten können also keinen Aufschluss darüber geben, ob aufschlagstarke Spieler bei Schlüsselpunkten im Vergleich zum Durchschnitt eine Überperformance aufweisen.
Varianz wird vom Markt überbewertet
Wir graben noch etwas tiefer und schauen auf die Tabelle unten mit den Top-Ten-Spielern, die 2016 eine Überperformance bei Breakpunkten aufwiesen. Wir können diese und die Daten von den bis jetzt gespielten Main-Tour-Matches 2017 verwenden und analysieren, ob der Markt diese Spieler überbewertet, nachdem sie 2016 durch die Varianz begünstigt wurden:
Top-Ten-Spieler mit Überperformance bei Breakpunkten 2016
Spieler
|
Ranglistenplatz Ende 2016
|
Gesamte BP-Über-/Unterperformance in % 2016
|
Brown
|
72
|
13,9
|
Berlocq
|
95
|
10.5
|
Zeballos
|
71
|
9.3
|
Evans
|
66
|
8.1
|
Monteiro
|
82
|
7,5
|
Klizan
|
35
|
6.9
|
Marchenko
|
74
|
6.3
|
Khachanov
|
53
|
4.7
|
Harrison
|
90
|
4.5
|
Herbert
|
78
|
4.4
|
Wenn wir einen hypothetischen, flachen Wetteinsatz von 100 Euro verwenden und ihn 2017 blind auf diese Spieler setzen, würden folgende Ergebnisse generiert werden:
Wetten auf Spieler mit einer Überperformance bei Breakpunkten
Spieler
|
Matches
|
Siege
|
Siege in %
|
Gewinn/Verlust
|
Rendite in %
|
Brown
|
22
|
8
|
36.36
|
-98
|
-4.45
|
Berlocq
|
24
|
9
|
37.50
|
-642
|
-26.75
|
Zeballos
|
32
|
15
|
46.88
|
163
|
5.09
|
Evans
|
17
|
9
|
52,94
|
645
|
37.94
|
Monteiro
|
23
|
7
|
30.43
|
-797
|
-34.65
|
Klizan
|
20
|
8
|
40,00
|
-309
|
-15.45
|
Marchenko
|
6
|
2
|
33,33
|
-147
|
-24.50
|
Khachanov
|
36
|
17
|
47.22
|
-272
|
-7.56
|
Harrison
|
28
|
14
|
50,00
|
-503
|
-17.96
|
Herbert
|
18
|
6
|
33,33
|
-214
|
-11.89
|
Gesamt
|
226
|
95
|
42.04
|
-2174
|
-9.62
|
Wie sich zeigt, würde das Blindwetten auf Spieler, die 2016 die höchste Überperformance bei Breakpunkten aufwiesen, zu einem desaströses Ergebnis führen: bislang in diesem Jahr zu einem negativen Gewinnertrag von -9,62 % in 226 Matches.
Tatsächlich hat der Markt die „Form“ und die Stärke dieser Spieler aufgrund ihrer Überperformance bei Schlüsselpunkten überbewertet. Mit Ausnahme des derzeit gesperrten Dan Evans und mit Abstrichen auch von Horacio Zeballos sind alle anderen zehn Spieler 2017 wieder zu ihrem Mittelwert zurückgekehrt.
Wenn das Blindwetten auf diese Spieler bei diesem Ansatz so schlechte Ergebnisse liefert, hätte der entgegengesetzte Ansatz, nämlich die Erwartung des Mean Reversion, einen positiven Gewinnertrag liefern müssen. Es wäre dann auch interessant einzuschätzen, ob Spieler, die 2016 meistens eine Unterperformance bei Breakpunkten aufwiesen, 2017 positive Ergebnisse liefern, weil der Markt ihre Stärken unterschätzt:
Top-Ten-Spieler mit Unterperformance bei Breakpunkten 2016
Spieler
|
Ranglistenplatz Ende 2016
|
Gesamte BP-Über-/Unterperformance 2016
|
Sela
|
96
|
-10.4
|
Medvedev
|
99
|
-8.2
|
Del Potro
|
38
|
-7.2
|
Sousa
|
43
|
-7.1
|
Dimitrov
|
17
|
-7.0
|
Federer
|
16
|
-7.0
|
Coric
|
48
|
-6,9
|
Struff
|
63
|
-6.5
|
Almagro
|
44
|
-5,8
|
Mayer F
|
50
|
-5,7
|
Interessanterweise können wir sehen, dass Dimitrov, der Anfang des Jahres bei Breakpunkten eine so hohe Überperformance aufwies, 2016 bei dieser Messgröße tatsächlich eine signifikante Unterperformance zeigte, was gut demonstriert, wie einfach es ist, Varianz als „Form“ zu verschleiern.
Mean Reversion (Rückkehr zum Mittelwert)
Obwohl das blinde Wetten auf Spieler wie Roger Federer, der in dieser Saison* 34 von 36 Matches gewinnen konnte, eine bunte Mischung ergaben, konnte auf diese Weise bei einer hypothetischen, flachen Wette von 100 Euro in 274 Matches ein Gewinnertrag von fast 6 % erzielt werden:
Wetten auf Spieler mit Unterperformance bei Breakpunkten
Spieler
|
Matches
|
Siege
|
Siege in %
|
Gewinn/Verlust
|
Rendite in %
|
Sela
|
16
|
5
|
31.25
|
66
|
4.13
|
Medvedev
|
32
|
19
|
59.38
|
690
|
21.56
|
Del Potro
|
25
|
14
|
56,00
|
-542
|
-21.68
|
Sousa
|
33
|
15
|
45.45
|
-653
|
-19.79
|
Dimitrov
|
40
|
26
|
65,00
|
-280
|
-7.00
|
Federer
|
36
|
34
|
94.44
|
2399
|
66.64
|
Coric
|
27
|
13
|
48,15
|
393
|
14.56
|
Struff
|
29
|
13
|
44.83
|
-638
|
-22.00
|
Almagro
|
17
|
8
|
47.06
|
-60
|
-3.53
|
Mayer F
|
19
|
8
|
42.11
|
204
|
10.74
|
Gesamt
|
274
|
155
|
56.57
|
1579
|
5.76
|
*Daten bis zum Halbfinale des Rogers Cup
Zusammenfassend lässt sich Folgendes feststellen: Mit Blick auf die Situation 2017 besteht bei Spielern, die 2016 eine Über- oder Unterperformance bei Breakpunkten aufwiesen, eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie zum Mittelwert zurückkehren (Mean Reversion) – und dass der Markt diese Wahrscheinlichkeit nur ungenügend berücksichtigt.
Weitere Untersuchungen der letzten Jahre zur Vergrößerung der Stichprobe werden Lesern möglicherweise interessante Hinweise liefern, wie sie auf dem Markt angreifen können. Benötigen Sie weitere Hilfe bei Tennis-Wetten? Erfahren Sie mehr zu den Highlights des Diskussionstags zu Tennis-Wetten bei Pinnacle.